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Pfarrer Hans Mörtters neue Thesen zur Reformation II - Teil 3

Reformation II, Pfarrer Hans Mörtter der Lutherkirche, Köln / Foto: Helga Fitzner
Reformation II, Pfarrer Hans Mörtter der Lutherkirche, Köln / Foto: Helga Fitzner

L95h – Reformation II
Für uneinschränkbare Nächstenwürde mit respektvollster Menschenliebe und grenzenlosestem Grundvertrauen.

von
Hans Mörtter

95 Buchstaben – europaweit gesetzt, indem das Denkmal Luther fließend transformiert wird auf Zukunft eines globalen Menschseins. U. a. an neuralgischen Punkten wie Dublin/Belfast, Rom, Oświęcim-Auschwitz.

Reformation II
Einen Stein ins Wasser werfen, der eigene sich verselbstständigende Kreise zieht. Ein neuer Diskurs über unser Menschsein auf Zukunft miteinander hin.

These I
Luthers Reformation mit der Wiederentdeckung des gnädigen Gottes führt konsequent zur mutigen Freiheit des gnädigen Menschen in respektvollster Menschenliebe, zur Reformation II. Entsprechend der jesuanischen Goldenen Regel „Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!“ (Lukas 6, 31) und dem kategorischen Imperativ von Immanuel Kant.

These II
Der „Antichrist“ der Moderne ist die kannibalische Weltordnung, die Gier der Kapitalmärkte, die Herrschaft der Finanzoligarchie und der transkontinentalen Agrarkonzerne wie Monsanto, Bayer-Leverkusen, Aventis, Pioneer, Syngenta, BASF, Cargill, DuPont, Nestlé …

Die westliche herrschende Lebensart verkörpert den größten bewussten Terrorismus aller Zeiten. (Jakob Augstein, „Wir Terroristen“ Der Spiegel – online , 16.10.2014.

Jeden Tag sterben 35.000 Kinder unter zehn Jahren an Hunger und Unterernährung. „Der jährliche Massenmord an Millionen von Menschen durch Hunger und Unterernährung auf einem Planeten, der von Reichtum überquellt – bleibt der eigentliche Skandal unserer Zeit.“ 
(Jean Ziegler, Der schmale Grat der Hoffnung, S. 298 und derss., Ändere die Welt, S. 52)

„Doch wenn wir einen anderen Standpunkt einnehmen, wenn wir das Kind, das stirbt, nicht einfach als statistische Einheit betrachten, sondern als Verschwinden eines singulären, unersetzlichen Wesens, das auf die Welt gekommen ist, um sein unwiederholbares Leben – das einzige, das es hat – zu leben, ist der Fortbestand dieses tödlichen Hungers unerträglich in einer Welt, die so reich ist, dass ihr nichts unmöglich wäre.“ (Jean Ziegler, Wir lassen sie verhungern, S. 48)

Glaubwürdiges Christentum ist herausgefordert, gemeinsam mit den weltweit erstarkenden sozialen Bewegungen und den globalen Bauerngewerkschaften in mutigen Widerstand zu gehen für eine Welt, die endlich menschlich wird.

In der urchristlichen Anfangszeit wurden Christen die „therapeutes“ genannt, die Heilenden. Es ist Zeit, sich an diesen jesuanischen Ursprung zu erinnern, back to the roots, zurück zu den Wurzeln eines urmenschlichen liebevollen Handelns, das in grenzenlosestem Grundvertrauen alles für möglich hält und darum unerschrocken weiß… Immanuel Kant: „Die Unmenschlichkeit, die einem anderen angetan wird, zerstört die Menschlichkeit in mir.“

„Das Leiden des anderen … verletzt mein eigenes Bewusstsein, fügt ihm einen Riss zu, macht es unglücklich, zerstört in mir das, was ich als einen unverzichtbaren Wert empfinde: den Wunsch, nicht zu leiden, zu essen, glücklich zu sein. Es zerstört das Wertvollste in mir: meine ‚Menschlichkeit‘, das heißt das unbezwingbare Bewusstsein der ontologischen (seinmäßigen) Einheit aller menschlichen Wesen… Diese ‚Werte‘ sind potenziell universell, weil sie konstitutiv für den Menschen sind.“
(Jean Ziegler, Ändere die Welt, S. 258)

Der andere ist immer der Spiegel, in dem ich mich selbst erkenne, der mir zeigt, wer ich bin oder wieder werden und sein kann. Und protestantisch weiterführend: Gott ist kein Besitz einzelner Religionen. Zu ihm gibt es die unterschiedlichsten kulturellen und menschlichen Zugänge. Transzendent ist er jedem Menschen immanent und heiligt ihn dadurch. ( 1. Mose 1, 27 ; 1. Mose 2, 7 ; Dietrich Bonhoeffer) Damit gibt es Menschsein nur und ausschließlich in globaler Geschwisterlichkeit! Konkret lokal auf Deutschland bezogen, erweist sich die Humanität unserer Gesellschaft im Umgang mit der Würde der Armen. Hartz IV und Sozialrente sprechen Menschen ihre Würde und ihr Sein ab.

 

These III
Es ist Zeit für eine neue globale Ökumene.
Glaube ist kein statischer Besitz der christlichen Kirchen.
Wir lassen uns nicht mehr zu Sklaven der Angst machen.

"Ökumene im klassischen Sinn von katholisch/evangelisch sich in der Wirklichkeit überholt und und muss sich weiten. Seit langem gibt es in den meisten Gemeinden jenseits der Vorbehalte weniger rückwärtsgewandten katholischen Bischöfe und Kardinäle ganz selbstverständlich eucharistische Abendmahlsgemeinschaft. Notwendig ist eine globale Ökumene, die aus dem engen christlichen Deutungs-Horizont heraustritt in offener freier Begegnung mit dem Islam und den Weltreligionen. Die die Herausforderung ernsthaft annimmt, dass es nur einen Gott und eine universale Wahrnehmungsgeschichte dieses Gottes gibt, zu der alle Religionen als unterschiedliche Gedächtnisspuren gehören." (Klaus-Peter Jörns, Notwendige Abschiede, S.353ff.)

Angesichts einer sich primär fatalistisch ökonomisch vollziehenden Globalisierung könnte das eine die Menschheit wirklich verbindende Kommunikation werden, eine neue globale Wir-Identität des Menschseins im Wissen um die Heiligkeit jedes einzelen Lebens. Zukunft in Frieden und Gerechtigkeit gibt es nur Miteinander!
Im Vertrauen darauf, dass „Gott die Ökumene der Religionen konstitutiert, indem er sich zu den Menschen in Beziehung setzt und von ihnen wahrnehmen lässt, ja, sich diesen Wahrnehmungen preisgegeben hat und weiter preisgibt.“ (Klaus-Peter Jörns, Notwendige Abschiede, S. 357)

Glauben ist nicht statischer Besitz der christlichen Kirchen. Er lebt im Beziehungsgeschehen zwischen Menschen und Gott im Kontext geschichtlicher (Tradition) und kultureller, gesellschaftlicher Entwicklung. Die erstarrte Reduzierung von urchristlichem jesuanischem Glauben auf Dogmen (katholische Kirche) und Lehrsätzen (Evangelische Kirche) hat zu einer großen Entfremdug des modernen Menschen von Kirche geführt. Nötig ist eine moderne selbtsbewusste Kirche, die Menschen in ihrem Bedürfnis nach Sinn und Spiritualität und Lebensbezug des Glaubens wahr- und ernstnimmt und sich darin kommunikativ selbst erneuert. „Das Gesetz ist um des Menschen willen da, und nicht der Mensch um des Gesetzes willen.“ (Markus 2, 27)

Angst ist ein Herrschaftsinstrument.
Menschen, die sich Angst machen lassen, sind beherrschbar.

Damit arbeiten Parteien wie die AfD. Die jesuanische Botschaft befreit davon. „Fürchtet euch nicht!“ ist die Botschaft der Engel zu Weihnachten und Ostern. Weil Leben in seiner individuellen Kostbarkeit unzerstörbar ist. Sophie Scholl mit ihren Freunden der Weißen Rose, James Graf von Moltke mit dem Kreisauer Kreis, Dietrich Bonhoeffer, Martin-Luther-King, alles wunderbare Protestant:innen sind ermutigende Zeug:innen dafür, dass wir frei von Angst für das Leben einstehen können. Mehr denn je, ist das heute gefordert. Gut, dass wir uns in vielen katholischen und evangelischen Kirchengemeinden dem Bundesinnnenminister widersetzen und trotz schwerer Sanktionen Menschen vor gnadenloser Abschiebung durch Kirchenasyl in Schutz nehmen.

So lebt Kirche heute an der Seite derer, die keine Chance auf Leben und Zukunft haben.